Jun 04 2008

Der Staat ist nicht der größte Schnüffler

Published by CWitte at 10:35 under Allgemein

Wie wirkt sich eigentlich die Spitzelaffäre bei der Deutschen Telekom auf den Datenschutz in Deutschland aus? Bisher wurde Datenschutz in der öffentlichen Diskussion implizit immer als der Schutz des Bürgers vor der Datensammelwut des Staates begriffen.08_06_04schnueffelschaueble.jpg Die zum Teil heftigen Debatten um den biometrischen Ausweis, die Vorratsdatenspeicherung, die Ausstattung von Reisepässen mit RFID-Tags und um die Massenaufzeichnung von Autokennzeichen per Video zeigen, wie empfindlich die öffentliche Meinung auch 25 Jahre nach der letzten großen Volkszählung
auf den Datenhunger der Obrigkeit reagiert. 08_06_04volkszaehlung.jpg
Dass Unternehmen aber offenbar die gleiche Leidenschaft für Daten entwickelt haben, lässt die meisten Menschen bisher kalt. Naiv sammeln sie mit Kundenkarten bei jedem Unternehmen Punkte, lassen bereitwillig ihre Konsum- und Informationsgewohnheiten ausspähen und veröffentlichen ihre privatesten Geheimnisse auf Facebook, StudiVZ oder anderen Social-Networks. Die meisten Bürger machen sich überhaupt keine Gedanken darüber, welche digitalen Spuren sie im Netz hinterlassen. Sie achten weder darauf, was sie öffentlich machen, noch sorgen sie sich darum, welche Daten sie als Konsument über Kredit- Kundenkarten oder Umfragen von sich Preis geben.
Der Telekom-Skandal trägt hoffentlich nicht nur bei den Kunden der Telekom zu der Einsicht bei, dass ihre persönlichen Daten auch bei “seriösen” Unternehmen keineswegs sicher vor Ausspähung sind. Dabei stellen solche “Recherchen” wie die der Telekom nur die Spitze des Eisbergs dar. Sich darüber zu entrüsten ist allerdings wohlfeil. Aufsichtsräte und Journalisten sind betroffen, beide Gruppen sind durch besondere Gesetze geschützt. Die Auftraggeber der Telekom und die spitzelnde Detektei haben eindeutig gegen Gesetze verstoßen und werden dafür zur Rechenschaft gezogen. Alles in Ordnung also?
Nein, überhaupt nicht! Abgesehen davon, dass sich inzwischen bei jedem aufmerksamen Beobachter der Verdacht regt, das Verhalten der Telekom sei keine Ausnahme (wie das von Siemens übrigens auch nicht), sondern die Regel unternehmerischen Umgangs mit sensiblen Daten, sollten alle gewarnt sein. Wenn schon so privilegierte Leute wie Journalisten und Aufsichtsräte ausgespäht werden, was veranstaltet man dann alles mit den Daten des normalen Konsumenten. Zunehmend betrachten Unternehmen die Daten ihrer Kunden als noch ungehobenen Schatz, der in ihren Datenbanken schlummert. Sie werden immer häufiger gezielt mit Business-Intelligence-Werkzeugen durchforstet, um verwertbare Informationen zum Konsumverhalten herauszufiltern. Sicher, zunächst geht es vordergründig nur darum, das Kaufverhalten spezifischer Gruppen und ihre Reaktion auf bestimmte Kaufanreize zu ergründen. Aber wenn die Bewegungsdaten der Kundenkarten mit den persönlichen Daten abgeglichen werden und zu Namen, Adresse, Alter, Geschlecht, Einkommensklasse auch noch die digitalen Spuren erschlossen werden, die man in Foren, Social-Networks oder sonst wo hinterlassen hat, dann ergibt das zusammengenommen ein recht klares Bild einer Persönlichkeit, das für die verschiedensten Zwecke missbraucht werden kann: Von politischer Agitation über das Berechnen von Versicherungsrisiken bis hin zur Verweigerung von Krediten. Deshalb sollte jeder Internet-Nutzer sich jederzeit über ein paar Dinge im Klaren sein.
- das Internet vergisst nichts
- das Interesse an personenbezogenen Daten ist riesig, der Wert dieser Daten steigt rasant
- deshalb hegen Unternehmen immer weniger skrupel, die Ressource Kundendaten zu nutzen
- es gibt immer Länder, die weniger rigorose Datenschutzgesetze haben als Deutschland
- Unternehmen haben immer weniger Skrupel, die Ressource Kundendaten zu nutzen
- Überlegen Sie immer, wem Sie wie viele Daten geben und welche Rechte Sie dem “Beschenkten” über diese Daten einräumen.

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