Okt 08 2010
Ist Leo Apotheker der richtige Chef für HP?
Das internationale Personalkarussell hat sich mal wieder heftig gedreht und Léo Apotheker, den ehemaligen Kurzzeit-Chef von SAP (Juni 2009 bis Februar 2010), auf den Chefsessel von HP getragen. Dort soll er das Geschick eines Unternehmens lenken, das im vergangenen Jahr 114 Milliarden Dollar umgesetzt und 7,6 Milliarden an Gewinnen eingefahren hat. Sein früherer Arbeitgeber, dem Apotheker in verschiedenen Funktionen über 20 Jahre lang diente, kam zuletzt auf einen Jahresumsatz von 10,7 Milliarden Euro und einen Betriebsgewinn von knapp 2,6 Milliarden Euro.
Sein Wechsel zu HP bedeutet für Apotheker einen doppelten Quantensprung: Sein neues Unternehmen ist nicht nur zehnmal so groß, sondern auch durch die Zahl der Mitarbeiter und vor allem aufgrund der verschiedenen Geschäftsfelder sehr viel komplexer. Warum sollte Apotheker also, der schon bei der viel kleineren SAP als CEO aufgrund „seines rabiaten und sehr direkten Führungsstils“ und wegen seines „unzureichenden Umgangs mit Kunden“ (Zitate: Handelsblatt) scheiterte, bei HP einen besseren Job machen? Zeit, sich in die für ihn neuen Geschäftsfelder einzuarbeiten und sich einen eleganteren Umgang mit Mitarbeitern und Kunden zu erarbeiten, wird er kaum bekommen. Der Job an der HP-Spitze braucht Knopfdruck-Manager: Leute, die sofort mit all ihrer Erfahrung, Charisma und einer klaren Vorstellung von der Zukunft des Unternehmens loslegen können, um in den ersten Monaten ihrer Führerschaft die richtigen Weichen zu stellen. Dazu brauchen sie übrigens einen gewissen Vertrauensvorschuss, der ihnen wegen ihrer früheren Erfolge und Verdienste eingeräumt wird. All das hat Apotheker nur auf der zweiten Führungsebene zu bieten. Als Gallionsfigur, als Fahnenträger, hinter dem sich Mitarbeiter und hoffentlich auch Kunden zusammenscharen, ist er bei SAP gescheitert.
Selbst das Argument – von vielen Experten vorgetragen – wonach Apotheker engagiert wurde, um HPs schwache Software-Flanke zu stärken und Know-how sowie Netzwerke in diesem Bereich zu verbessern, ist nicht wirklich stichhaltig. Einmal gibt es auf dem internationalen Markt mögliche Kandidaten mit einer erfolgreicheren Vita. Zum anderen ist es schwer vorstellbar, dass das HP-Board deshalb einen CEO ernennt, der bisher ausschließlich in einem Bereich gearbeitet hat, der im vergangenen Jahr ganze drei Prozent des HP-Umsatzes darstellte. Das klingt nicht wirklich angemessen.
Wenn HP tatsächlich das Software-Geschäft stärken will, dann besteht die Option nicht in organischem Wachstum. Es müsste in großem Stil zugekauft werden. Einer der möglichen Kaufkandidaten ist natürlich SAP. Aber auch in diesem Zusammenhang wäre Apotheker kontraproduktiv. Hasso Plattner hat ihn erst vor einigen Monaten entlassen, weil er ihm nicht mehr vertraute und ihm offenbar nicht zutraute, SAP in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass Plattner diesem Mann sein Lebenswerk verkaufen würde.
Nein es scheint so, dass sich das HP-Board nicht wieder für einen führungs- und durchsetzungsstarken CEO entscheiden wollte, den es in Mark Hurd gehabt hat und den es gerade aus nicht unbedingt zwingenden Gründen aus seinem Job entfernt hat. Die Mitglieder des Aufsichtsrates verfolgen eher das Prinzip teile und herrsche. Offiziell wird Apotheker zwar die HP-Geschicke lenken, aber das Board wird im Hintergrund heftig mitmischen. Die Ernennung von Ray Lane , dem legendären früheren Chief Operating Officer von Oracle, zum Member of the Board und zum „non executive“ Chairman, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass man den neuen CEO an engerer Leine führen will als seinen Vorgänger Hurd, der übrigens den Posten des Chairmans selbst innehatte. Von daher könnte Apotheker aus Sicht des HP-Boards der richtige Mann für den Job sein, aber ob er für das Unternehmen, seine Kunden und seine Mitarbeiter der richtige CEO sein wird, muss er noch beweisen.