Sep 22 2009

Herkules muss abspecken

Published by CWitte at 10:45 under Allgemein

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Der antike Held Herkules war zu beneiden. Ohne Bürokratie, ohne Konsortialmitglieder und ohne den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beachten zu müssen, erschlug er die neunköpfige Hydra, mistete den Rinderstall des Augias aus und erledigte noch einiges andere . Nicht einfach, aber da ihm niemand rein quatschte und er auch über kein vorab festgelegtes Budget verfügte, meisterte er die extrem schwierigen Herausforderungen.
Die größte europäische Public Private Partnership (PPP) gleichen Namens hat es da ungleich schwerer. 1999 wurde Herkules mit dem Auftrag ins Leben gerufen, die gesamte nichtmilitärische IT- und Kommunikationsinfrastruktur der Bundeswehr für ein Budget von zuletzt 7,1 Milliarden Euro zu modernisieren. Die Aufgabe wurde einem Konsortium übergeben, dem die heutige Siemens Information Services (SIS) die IBM und der Bund angehörten. Mit der BWI IT wurde eine gemeinsame Gesellschaft gegründet, an der die Konsortialpartner mit 50,05 Prozent 0,05 und 49,00 Prozent beteiligt sind. Um die Lage weiter zu verkomplizieren rief man mit SASPF ein weiteres Projekt ins Leben, um die zentralen nicht militärischen Applikationen der Bundeswehr auf Basis von SAP-Produkten zu modernisieren. Auch hier sind neben der SAP verschiedene Partner beteiligt.
Von Anfang an geriet Herkules in Schwierigkeiten, die vom Wechsel der ursprünglichen Konsortialteilnehmer bis hin zu Zeit- und Budgetüberschreitungen reichten. Positive Schlagzeilen machte das Projekt bisher praktisch nie. Auch jetzt, im zehnten Jahr seines Bestehens, ist es durch einen vertraulichen Bericht des Verteidigungsministeriums,in dem ihm eine „kritische Phase“ attestiert wird, negativ aufgefallen. Wieder werden Zeitüberschreitungen kritisiert und erhebliche Mehraufwände befürchtet.
Sicher existieren gute Gründe für die Schwierigkeiten, die zu klärenden Sachfragen sind schwierig, die Denkweisen von Kunde (Bundeswehr) und Dienstleister dürften sehr unterschiedlich sein und die Beobachtung durch Politik und Öffentlichkeit sorgt für erheblichen Druck, unter dem schnell Fehler gemacht werden. Doch diese Schwierigkeiten ließen sich überwinden, wenn das Projekt nicht überambitioniert wäre. Die Vereinheitlichung der gesamten IT- und Kommunikationsinfrastruktur und parallel dazu noch die Vereinheitlichung sämtlicher zentraler nichtmilitärischer Applikationen ist als Projekt unbeherrschbar. Darauf deutet schon das komplizierte, 17 000 Seiten umfassende Vertragswerk hin. Offenbar begannen die Schwierigkeiten des Projekts schon damit, dass die Konsortialpartner es kaum in Worte fassen konnten. Das antike Vorbild war so schlau, seine zwölf herkulischen Aufgaben nacheinander anzugehen. Das ist dem PPP gleichen Namens ebenfalls dringend zu empfehlen, sonst wird das einzig grandiose an ihm das Scheitern sein.

Foto: Wallyg

2 Responses to “Herkules muss abspecken”

  1. Ben Molandon 01 Okt 2009 at 20:00

    Sehr geehrter Herr Witte, erinnern Sie sich noch an die LKW-Maut? Oder an den Airbus A380? Oder an die letzten Zeitungsartikel über Verzögerungen beim neuen Boeing Dreamliner? Alles große Projekte, alle mit Problemen und Verzögerungen. Über die Probleme wird in den Medien ausführlich berichtet, über die Erfolge nicht. Die LKW-Maut scheint inzwischen völlig problemlos zu laufen, den A380 habe ich schon fliegen sehen, der Dreamliner wird auch irgendwann kommen. Und Herkules wird wahrscheinlich auch irgendwann erfolgreich fertiggestellt.
    Ich persönlich erwarte, dass über jedes Problem bei Herkules mit dicken Schlagzeilen berichtet wird. Und ich erwarte, dass Herkules erfolgreich in Betrieb geht. Und ich erwarte, dass das in den Medien nicht erwähnt wird.
    Herr Witte, widerlegen Sie meine Erwartungen und Vorurteile! Bringen Sie in der Computerwoche einen ausführlichen Artikel über den Erfolg der LKW-Maut. Berichten Sie, wieviel Geld damit verdient wird, welche Techniken und Systeme das Datenvolumen bewältigen und wie die Menschen arbeiten, die das alles am Laufen halten und weiterentwickeln.
    Herzlichst Ihr
    Ben Moland

  2. CWitteon 02 Okt 2009 at 08:35

    Sehr geehrter Herr Moland,
    wenn Herkules in Betrieb geht, werde ich garantiert darüber berichten, aber nicht ohne Verweis auf die vielen Störungen und notwendigen Veränderungen und die sehr viel höheren Kosten. Ich glaube immer noch, dass ein bescheidenerer Ansatz erfolgreicher gewesen wäre, auch bei der Maut. Andere Länder erheben ebenfalls Autobahngebühren, erledigen das aber ohne diesen gigantischen Aufwand.

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